In The North
Eines der überzeugendsten Talente der gegenwärtigen deutschen Jazzszene, der wendig-vielfältige und sehr kammermusikalisch orientierte Andreas Willers wurde von between the lines bereits mit den von Günter Grass Roman Die Blechtrommel inspirierten Tin Drum Stories (btl 009) vorgestellt. Ohne Orte und Werkstätten, in denen kontinuierliche Arbeit möglich ist, gibt es für einen jungen Künstler keine Zukunft, weshalb btl sofort eine weitere Produktion mit Willers vereinbarte. Diesmal sollte es eine Hommage an Jimmy Giuffre werden. Tatsächlich weist In the North aber von Giuffres Auflösung traditioneller Patterns weit in die trostlose Sphäre der SecondhandExistenzen unserer Zeit. Man vernehme nur die räumliche Weite und wüstenhafte Verlorenheit des Titelstücks oder die tonlos gehauchten Interludes des Posaunisten Yves Robert im subtil dekonstruierten Giuffre-Klassiker The Train & the River hier scheinen sich Personen zu treffen, deren Erwartungen an die Zukunft aufs Schlimmste eingetroffen sind. Die Kunst ist eben ein Reflex auf ihre Zeit, was in einem geistreich zersplitterten Motif oder im schaurig-schönen Glaswerk sowie in einer geisterbahnhaften und abrupt abbrechenden Kürzestfassung von Giuffres Gotta Dance leicht nachzuvollziehen ist. Analog zu Giuffres legendären schlagzeuglosen Gruppierungen wird auch hier auf drums jeglicher Art verzichtet und mit der Mitwirkung des Pianisten Paul Bley gibt es einen originalen Link zu dem mittlerweile wohl als historisch anzusehenden Trio Giuffre / Bley / Swallow, während der virtuose Willers und Yves Robert im weitesten Sinn an Giuffres unwiderstehliche Kooperation mit Jim Hall und Bob Brookmeyer anschließen. Man vernehme nur die noch immer unmittelbar aufblitzende Genialität Bleys in Face Two oder den dunklen luftgesättigten Sound Yves Roberts in Bleys grandioser Ballade Carla oder die inspirierte Wendigkeit aller beteiligter Protagonisten in Motion. Es sind überwiegend intime, leise Geschichten, die wir hier zu hören bekommen. Aber sie vermitteln uns sicher mehr von unserer Befindlichkeit als so manch auftrumpfendes, anbiederndes Gestampfe der Unterhaltungsindustrie.